Warum suchen so viele Menschen Schuldige, statt selbst aktiv zu werden?

Wer einen Schuldigen findet, ist fein aus dem Schneider. Zumindest in unserer Kultur. Daher suchen die Menschen in großen Krisen wie besessen nach der Schuld, anstatt nach einer Lösung Ausschau zu halten. Schuld sind die Chinesen, der fremde Virus, die Freizügigkeit, die politischen Gegner, die Pharmaindustrie, der Premierminister, der Nachbar, der mich trotz Fieber besucht hat,…

Die Liste lässt sich fast beliebig lang fortsetzen. Sie entbindet denjenigen, der den Schuldigen identifiziert, nicht nur von der Verantwortung. Er ist muss auch nichts tun. Denn der Ball liegt ja bei dem Schuldigen. Der soll gefälligst den von ihm angerichteten Schaden wieder gutmachen.

Unschuldig oder schuldig – richtig oder falsch

Wer Schuldzuweisungen ausspricht, teilt die Welt nicht nur in Täter und Opfer. Er outet sich auch als jemand, der weiß, was richtig und was falsch ist. Lassen wir einmal beiseite, wie schade es ist, wenn die Richtig-Wisser dann nicht handeln. Wenden wir uns einem anderen Aspekt zu: „Richtig“ und „falsch“ ist gekoppelt an den Bewusstseinszustand eines Menschen. Was für den einen in einer Krisensituation vollkommen richtig und legitim erscheint, ist für den anderen von Grund auf falsch oder sogar vielleicht verboten.

Orientieren wir uns einmal an den Bewusstseinszuständen, wie sie Ken Wilber, Don Beck oder einer der anderen integralen Denker als Meme beschrieben haben. Verwenden wir dafür die Farbbezeichnungen, die Don Beck in „Spiral Dynamics“ den Memen zugeordnet hat.
In großen, existenzbedrohenden Krisen wird ein Mensch

  • im violetten Mem sich in den Schutz seiner engsten Gemeinschaft zurückziehen und auf Hilfe von höheren Mächten hoffen
  • im roten Mem mit allen Mitteln dafür sorgen, selber geschützt zu sein. Egal, ob er dafür Waffengewalt oder Drohungen einsetzen muss. Andere sind ihm in der Situation egal, sofern sie ihn gewähren lassen.
  • im blauen Mem sich an die Kirche, die Behörden oder andere Autoritäten wenden und peinlichst genau deren Anweisungen befolgen. Und er wird dafür sorgen, dass dies auch alle anderen tun.
  • im orangen Mem seine Sicherheit mit Geld erkaufen, auf seine Stellung in der Gesellschaft verweisen und versuchen, über Beziehungen an notwendiges Wissen zu kommen. Andere wird er nur dann an seinem Vorteil teilhaben lassen, wenn ihm das zusätzlich Prestige und Umsätze bringt.
  • im grünen Mem werden versuchen, gemeinsam mit anderen das Problem zu lösen. Sie werden Ressourcen teilen und so gut wie möglich für die besonders Betroffenen einzusetzen.
  • im gelben Mem werden wir fähig, alte Fragmentierungen zu überwinden. Ökologische Systeme, soziale Systeme, ökonomische Systeme und die spirituelle Sinnebene ziehen an einem Strang. Wir verbinden die Systeme und kreieren sinnvolle Lösungen

In großen Krisen neigen Menschen zu einem Rückschritt im Bewusstseinszustand

Beginnt eine Krise, alles bisher Dagewesene zu sprengen und hat sie tendenziell lebensbedrohliche Ausmaße, ziehen sich Menschen auf das zurück, was zuletzt funktioniert hat. „Gelbe“ fallen in „oranges Denken“ zurück, „Grüne“ in „blaues Denken“, „Orange“ in „rotes Denken“ zurückfallen.

Lasst uns das integrale, das „gelbe Denken“ verteidigen, indem wir keine Schuldigen suchen sondern Lösungen und akzeptieren, dass für jeden etwas anderes richtig sein kann. Dazu braucht es Beweglichkeit. Und die trainieren wir bei Yi nicht nur auf der körperlichen Ebene sondern auch auf der Gefühlsebene, der Gedankenebene und der Sinnebene. Denn die sinnvolle Lösung, mag nicht die eine richtige sein. Aber wenn sie funktioniert ist das manchmal das Beste, was man jetzt erreichen kann. Good enough for now, save enough to try.


Hans Endmaya ist Gründer des
Yi-Sinnhelden-Zentrums und Finder des Yi-8ermodells

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